Die 5 größten Risiken für Onlineshops – Studie Teil II

Risiken für Online Shops Beitragsbild

Im zweiten Teil der Studie stellen wir die fünf größten Risiken für Onlinehändler vor, die sich insbesondere auf externe Abhängigkeiten beziehen. Prinzipiell ist es sinnvoll, sich auf die eigene Kernkompetenz zu konzentrieren und nicht in jeden Bereich des eigenen Unternehmens selbst zu Hand anzulegen. So macht es zum Beispiel für einen Onlinehändler meistens keinen Sinn, ein komplettes Shopsystem zu programmieren, sondern stattdessen ein geeignetes Shopsystem wie Shopify, Shopware oder Prestashop einzusetzen.

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Rechtliche Risiken

Mehrere der befragten Unternehmensvertreter beklagen sich über rechtliche Risiken und Hindernisse, die ihr Geschäft spürbar beeinträchtigen. Es gäbe zu viel Bürokratie und „alte deutsche Gesetze”, die insbesondere kleineren Onlinehändlern ohne entsprechendes Fachpersonal das Geschäft erschweren. Die Trägheit und Ineffizient der deutschen Bürokratie wird als branchenübergreifendes Problem von existenzieller Bedeutung eingestuft.

„Deutschland stirbt an seinen Rechtsvorschriften.“, Fazit eines Studienteilnehmers.

Insbesondere Abmahnungen sind im Onlinehandel ein problematisches Thema.

„Daran sind schon so manche Onlinehändler kaputt gegangen”, meint einer der Befragten.

Bestimmte Gesetze werden auch als Hindernisse für die Internationalisierung von Onlinehändlern betrachtet. So hätte eines der befragten Unternehmen beispielsweise über 20.000 Euro investieren müssen, um in jedem europäischen Land einen juristisch bevollmächtigten Ansprechpartner zu benennen – was nach geltendem EU-Recht eine Voraussetzung ist, um Elektronikartikel in andere EU-Länder exportieren zu dürfen.

Auch Rechtsstreitigkeiten mit größeren Konkurrenten und Geschäftspartnern sind eine Herausforderung für kleine Onlinehändler. Um beispielsweise gegen Händlersperrungen von Amazon vorzugehen, benötigen Onlinehändler einen Anwalt für europäisches Recht, da der Marktführer seinen europäischen Sitz in Luxemburg hat.

Die Gesetzeslage wird nicht nur als Nachteil kleiner Unternehmen ohne eigene Rechtsabteilung gegenüber ihren größeren Mitbewerbern, sondern auch generell als Nachteil deutscher Unternehmen gegenüber US-amerikanischen Unternehmen angesehen. Es wird beobachtet, dass das geltende Recht Onlinehändlern in Deutschland ein „Vorsorgeprinzip” bei allen geschäftlichen Handlungen vorschreibt und Onlinehändlern in den USA ein vorteilhaftes „Nachsorgeprinzip” ermöglicht.

„Wenn ich in Deutschland eine Webseite aufmache, dann ist mein erster Gedanke nicht ‚Was kann ich dem Kunden Cooles bieten?’, sondern ‚Wie schütze ich mich vor der ersten oder nächsten Abmahnung?’“, erklärt einer der befragten Unternehmer.

Hierin sieht er langfristig eine Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit aller deutschen Onlinehändler, insbesondere gegenüber der Marktführer Amazon.

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Abhängigkeit von der Produktnachfrage

Eine weitere Herausforderung sehen einige Onlinehändler in der volatilen Nachfrage nach ihren angebotenen Produkten. So beobachtet einer der befragten Unternehmer – Inhaber eines Onlineshops für Büromaterial und Schulbedarf – mit Sorge eine deutschlandweit rückläufige Nachfrage für Schreibwaren. Die befragte Inhaberin eines Onlineshops für Schulmöbel sieht eine Gefahr in der fortschreitenden Digitalisierung, da diese dazu führen könnte, dass einige ihrer angebotenen Produkte überflüssig werden – zum Beispiel durch die Ersetzung konventioneller Tafeln durch digitale Tafeln.

„Da werden über die nächsten Jahre bestimmte Sortimente wegbrechen”, erklärt eine Studienteilnehmerin.

Ein befragter Onlinehändler für Tennisbedarf beobachtet ebenfalls eine Stagnation der Nachfrage nach seinen Produkten, da sich das öffentliche Interesse in Deutschland zunehmend auf den Sport Fußball konzentriert. Eine Möglichkeit, sich als Onlinehändler unabhängiger von der allgemeinen Nachfrage nach bestimmten Produkten zu machen, ist die horizontale Diversifizierung des Produktsortiments – also eine breitere Aufstellung in mehreren Produktsparten.

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Abhängigkeit von Lieferanten

Viele der befragten Unternehmer geben an, auf gefährliche Art und Weise von ihren Warenlieferanten abhängig zu sein. Zunächst sind Onlinehändler – insbesondere jene, die keine großen Warenbestände im eigenen Lager halten – abhängig davon, dass Ware zuverlässig geliefert wird. So berichtet ein Studienteilnehmer beispielsweise von ausgefallenen Lieferungen, nachdem ein Produkthersteller in China ohne Vorwarnung insolvent gegangen ist.

„Der Händler ist letztendlich immer der Dumme”, erklärt einer der Studienteilnehmer.

Nach einem Onlinekauf liegt die Lieferpflicht gegenüber dem Kunden stets bei dem Händler und nicht bei seinen Lieferanten. Als eine Möglichkeit, sich effektiv gegen die Unzuverlässigkeit von Lieferanten abzusichern, kann die Eigenproduktion der angebotenen Ware in Erwägung gezogen werden. Das Wegbrechen eines Lieferanten kann im schlimmsten Falle zu Frustration und zu einer Vielzahl negativer Bewertungen der Kunden führen.

Onlinehändler sind nicht nur von der Solvenz und Zuverlässigkeit, sondern auch von dem Wohlwollen ihrer Lieferanten und den persönlichen Beziehungen abhängig, die sie mit den jeweiligen Vertriebsmanagern der Hersteller und Großhändler aufgebaut haben. So berichtet einer der Befragten, wie ein Lieferant sein Unternehmen nach dem Austausch der gesamten Vertriebsmannschaft plötzlich nicht mehr beliefern wollte, weil „die alten Seilschaften nichts mehr gegolten haben.“ Die zwischenmenschlichen Beziehungen scheinen insbesondere wichtig für die Sicherung günstiger Einkaufskonditionen (insbesondere niedrige Preise und Exklusivverträge) zu sein.

„Wenn die uns nicht mehr mit guten Preisen versorgen, sind wir weg vom Fenster”, sagt einer der Befragten in Bezug auf seine Lieferanten.

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Gefahr der Disintermediation

Die meisten der befragten Unternehmensvertreter sehen eine Gefahr für ihr Geschäft darin, dass Produkthersteller durch Plattformen, wie Amazon, die Möglichkeit haben –und zunehmend auch wahrnehmen– ihre Ware direkt an Endkunden zu verkaufen. Die Gefahr der Disintermediation nimmt mit der wachsenden Reichweite und Servicequalität von Amazon zu, da es für Hersteller hierdurch immer unkomplizierter und attraktiver wird, ihre Ware direkt über den Amazon Marketplace anzubieten.

Einige der Befragten berichten, dass sich die Gefahr der Disintermediation in ihrem Produktsegment bereits materialisiert hat.

„Man spricht in der Branche davon, dass hier nicht mehr ein B2B- oder B2C-Markt vorliegt, sondern ein sogenannter M2C-Markt: Manufacturer-to-Customer”, erklärt einer der Studienteilnehmer.

„Inzwischen ist es schon so“, meint ein anderer Unternehmer, „dass fast alle größeren Hersteller – getrieben durch die krasse Marktmacht von Amazon – auf Amazon verkaufen.“

Die wahrgenommene Gefahr der Disintermediation geht aber nicht nur von der Möglichkeit der Hersteller aus, direkt über einen eigenen Shop auf dem Amazon Marketplace zu verkaufen. Es wird zunehmend auch eine Gefahr darin gesehen, dass Amazon die aktive Rolle einnimmt, Produkte direkt von Herstellern kauft, günstig selbst anbietet und kleinere Onlinehändler dadurch von seiner Plattform verdrängt.

„Derzeit macht Amazon eigentlich nichts Anderes, als zu jedem Händler hinzugehen und zu sagen: ‚Gib mir deine Volllistung und wir gucken, was wir davon nehmen können. So eine Art von Vertrieb hatten wir noch nie hier in Deutschland.’”, erklärt eine Studienteilnehmerin.

Einer der befragten Unternehmer bezeichnet den Aufstieg Amazons in diesem Zusammenhang sogar als

„Kehrtwende in der Onlinewirtschaft”.

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Abhängigkeit von Werbe- und Vertriebsplattformen

Mehrere der Befragten sehen eine Gefahr in der wachsenden Abhängigkeit Ihres Unternehmens von Werbe- und Vertriebsplattformen.

“Es gibt immer mehr Wegelagerer, die sich irgendwo zwischen uns und unsere Kunden stellen wollen”, sagt ein Studienteilnehmer

Gemeint sind Online-Marktplätze, Suchmaschinen und Preisvergleichsportale, die von Onlinehändlern Provisionen für die Vermittlung von Kunden verlangen. Die wachsende Macht dieser Plattformen bezeichnet einer der befragten Unternehmer sogar allgemein als einen „ungesunden Zustand in der Welt”. Es wird eine zunehmende Fokussierung von Kunden auf große Online-Marktplätze beobachtet – insbesondere auf den Amazon Marketplace – und damit einhergehend auch eine wachsende Abhängigkeit der Onlinehändler von diesen Plattformen prognostiziert.

„Inzwischen gehen ja viele Leute, wenn sie ein Produkt suchen, nicht mehr auf Google und suchen nach dem Produkt, sondern gehen gleich zu Amazon”, stellt eine Studienteilnehmerin fest.

Allerdings bieten die Marktplätze wie Amazon oder Preissuchmaschinen wie idealo dem kleinen Shop manchmal überhaupt erst den Zugang zu ihren Kunden. Hinzu kommt, dass kleinere Shops oft froh sind, die Logistik oder das Retourenmanagement abzugeben. Somit ist die Bedrohung durch große Anbieter, wie Amazon, nicht von der Hand zu weisen, aber gleichermaßen ist Amazon auch eine Tür zu einem Geschäft, die sonst vielleicht verschlossen bliebe.

Fazit

Um einen Überblick über den Status Quo der Onlinehandelsbranche zu erlangen, wurden halbstandardisierte Interviews mit 30 Unternehmensvertretern kleiner und mittelständischer Onlinehändler geführt. Um Rückschlüsse auf die geschäftliche Situation und die Zukunftsfähigkeit der befragten Unternehmen ziehen zu können, wurden die Interviewteilnehmer zu ihren Wahrnehmungen und strategischen Entscheidungen in verschiedenen Geschäftsbereichen befragt.

Die Befragung der Unternehmen hat ergeben, dass unter den kleinen und mittelständischen Onlinehändlern in Deutschland eine verzerrte Wahrnehmung ihrer eigenen Marktposition sowie ihrer Gefahren und Zukunftsaussichten vorherrscht. Unter den Befragten zeichnete sich – bezogen sowohl auf die aktuelle geschäftliche Situation als auch auf die prognostizierten Zukunftsaussichten ihrer Unternehmen – ein deutlich positives Geschäftsklima ab. Es konnten bedeutende Entwicklungen und Tendenzen in den Geschäftsbereichen Vertrieb, Logistik, Outsourcing, Warenabwicklung, Versand und Marketing identifiziert werden. Allerdings scheinen viele Risiken und Herausforderungen von den Unternehmen selbst nicht wahrgenommen zu werden.

Für die meisten der identifizierten Herausforderungen hatten die befragten Unternehmensvertreter keine adäquaten Lösungsansätze vorzuweisen. Durch eine kritische Analyse ihrer gewählten Abgrenzungsstrategien konnte ferner festgestellt werden, dass diese zum Großteil nicht für eine Abgrenzung von größeren Konkurrenten geeignet sind, sondern lediglich für eine Abgrenzung von ebenbürtigen oder kleineren Mitbewerbern. Somit stellt der Konkurrenzdruck durch Amazon in vielen Fällen nicht nur eine existenzielle Bedrohung, sondern auch eine ausweglose Situation für die kleinen und mittelständischen Onlinehändler in Deutschland dar.

Um wettbewerbsfähig zu bleiben, sollten Onlinehändler einen Fokus darauf legen, ihre neuen Herausforderungen – insbesondere die Stärken und Strategien ihrer wichtigsten Konkurrenten – gut zu verstehen. Gerade mit Hinblick auf die hohe Dynamik der Branche sollten Manager ihre eigenen, möglicherweise veralteten Vorstellungen von den vorherrschenden Marktmechanismen aktiv hinterfragen, stets ein breites Spektrum von tagesaktuellen Informationsquellen nutzen und sich nach Möglichkeit regelmäßig mit Experten über aktuelle Entwicklungen austauschen. Da den Ergebnissen der Studie zufolge viele der entscheidenden Gefahren von dem Markt- und Technologieführer Amazon ausgehen, sollten die kleinen und mittelständischen Onlinehändler die Handlungen von Amazon stets im Auge behalten.


Quelle: „Sind kleine und mittelständische Onlinehändler bereit für die Zukunft? – Eine qualitative Studie nach dem Grounded-Theory-Ansatz zu den Herausforderungen und Zukunftsperspektiven einer Branche im Umbruch“, Masterarbeit an der Technischen Universtität Berlin, Jakob Kröger, 2017

Hinweis: Bei Interesse an der vollständigen Masterarbeit, schicken Sie gerne eine Anfrage an j.repschlaeger(at)tu-berlin.de.