Die 5 größten Herausforderungen im Onlinehandel – Studie Teil I

Beitragsbild Herausforderungen im Onlinehandel

Die Onlinehandelsbranche befindet sich inmitten eines tiefgreifenden strukturellen Wandels. Verschiedene wirtschaftliche und technologische Trends sorgen regelmäßig für neue Möglichkeiten und notwendige Strategiewechsel bei den Onlinehändlern. Besonders kleine und mittelständische Marktteilnehmer haben zunehmend Schwierigkeiten, mit den Entwicklungen in der hochdynamischen Branche mitzuhalten. Als Folge wird von Experten bereits eine drastische Konsolidierung des Marktes vorhergesagt.

Um unter diesen Bedingungen wettbewerbsfähig zu bleiben, sollten Onlinehändler ihre Herausforderungen gut kennen. Welches sind die konkreten Marktbedingungen und Entwicklungen, die von betroffenen Unternehmen als existenzielle Gefahr eingestuft werden? Mit dieser Frage befasst sich eine neue Studie des Lehrstuhls für Informations- und Kommunikationsmanagement der Technischen Universität Berlin, in deren Rahmen Interviews mit über 30 Geschäftsführern von kleinen und mittleren Onlineshops geführt wurden. Es konnten hierbei Herausforderungen und Risiken identifiziert werden, mit denen sich die Onlinehändler in Deutschland derzeit konfrontiert sehen. Diese werden im Folgenden präsentiert. Wir stellen Ihnen die fünf größten Herausforderungen vor, die nach den Befragten für jeden kleinen und mittelgroßen Online-Shops existieren. Im zweiten Teil dieser Serie werden darüber hinaus die fünf größten Risiken beschrieben.

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Steigender Preisdruck

Viele der befragten Unternehmensvertreter gaben an, einen steigenden Preisdruck in ihrem Marktsegment zu beobachten. Vereinzelte Onlinehändler sehen hierin sogar die Ursache für die Stagnation ihres Geschäfts.

„Sie werden wenige an der Strippe haben, die Ihnen jubelnd und jauchzend erzählen werden, dass ihr Onlineshop sehr profitabel ist”, berichtet einer der Studienteilnehmer.

Ein anderer beschreibt die Gewinnmargen im Onlinehandel nach Werbekosten sogar als „quasi Null”. Als wesentlicher Grund wird die drastisch gestiegene Anzahl von Marktteilnehmern aufgrund fehlender Eintrittsbarrieren angeführt. Aufgrund der geringen Startinvestitionen, die für die Eröffnung eines Onlineshops nötig sind, werden die Markteintrittsbarrieren im Onlinehandel als „quasi nicht existent“ beschrieben.

Auch der rasante Aufstieg von Amazon wird als Grund für den gestiegenen Preisdruck angesehen. Nicht nur, weil Amazon selbst zur Eliminierung von Markteintrittsbarrieren beiträgt, indem es Billiganbietern über seinen Marketplace den Zugang zu einer großen Zahl potentieller Kunden ermöglicht, sondern auch, weil Amazon mit seiner Marktmacht günstige Einkaufspreise von Herstellern verlangen kann, die kleinere Händler nicht ohne Weiteres erhalten.

„Amazon kauft von einer Variante hundert Paletten, und dann ist natürlich der Einkaufspreis vom Hersteller ein ganz anderer als wenn wir zehn Notebooks kaufen”, erklärt der Inhaber eines Onlineshops für Computer und Elektronik.

Es wird außerdem berichtet, dass Amazon Preisroboter einsetzt, um die Angebote kleinerer Händler auf dem eigenen Marketplace systematisch zu unterbieten.

„Wenn man auf Amazon einen Preis ändert, dauert es maximal zehn Minuten, dann ändert Amazon den Preis auch”, meint eine der Befragten.

Einige befragte Unternehmen haben bereits durch Experimente herausgefunden, dass Amazon Preise aggressiv unterbietet und auch dann noch tiefer geht, wenn die Verkäufe nach ihrer Einschätzung schon lange nicht mehr profitabel sein können. Durch dieses systematische Preisdumping verlieren einige Händler auf einen Schlag wesentliche Teile ihres Umsatzes.

„Da fliegen Sie mal eben von ein, zwei Millionen Euro Umsatz bei Amazon auf null zurück. Das verkraften viele nicht so gut”, erklärt ein anderer Unternehmer.

Schließlich wird auch die gestiegene Transparenz im Onlinehandel – d.h. die verbesserten Möglichkeiten von Onlinekunden, sich durch Suchmaschinen und Preisvergleichsportale über Produkte und Händler zu informieren – als Grund für den gestiegenen Preisdruck angeführt.

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Ressourcenmangel

Neun der 30 befragten Unternehmensvertreter sehen eine Herausforderung darin, dass ihr strategischer Handlungsspielraum durch die geringe Größe und mangelnden Ressourcen ihrer Unternehmen spürbar eingeschränkt ist.

So mangelt es einigen Unternehmen an finanziellen Ressourcen, um wichtige Geschäftsgelegenheiten wahrzunehmen und Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit abzusichern. Ein Befragter kann sich beispielsweise Suchmaschinenwerbung nur in sehr eingeschränktem Maße leisten und ist daher nicht sicher, wie er die Sichtbarkeit seines Unternehmens für potentielle Kunden in Zukunft gewährleisten kann. Ein weiteres befragtes Unternehmen kann das nötige Investitionskapital für die strategisch als sinnvoll erachtete Expansion in andere EU-Staaten nicht aufbringen. Auch die ausreichende Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal ist eine Ressource, deren Mangel mehrere der Befragten in ihren Unternehmen feststellen und beklagen. Aufgrund des aktuell sehr hohen Auftragsvolumens seien die Mitarbeiter im Unternehmen häufig von 9 bis 21 Uhr im Warenlager beschäftigt.

„Wir kommen mit der Arbeit nicht hinterher”, beklagt ein Shop

„Fast alle Onlinehändler werden sehr, sehr lange To-Do-Listen haben”, bestätigt ein Geschäftsführer

Mehrere Geschäftsprozesse im Onlinehandel wurden von Befragten als sehr ressourcenintensiv beschrieben – so beispielsweise die technische Verknüpfung von Warenwirtschaft und Onlineshop, die Überwachung und Steuerung einer großen Anzahl von Artikeln im Onlineshop sowie die Überwindung von Sprachbarrieren und die Anpassung an lokale Kundenpräferenzen bei der Internationalisierung.

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Steigende Kundenansprüche

Einige befragte Unternehmensvertreter geben an, steigende Kundenansprüche im Onlinehandel zu beobachten. Als Beispiel für einen Bereich, in dem die Erwartungen der Kunden besonders stark gestiegen sind, wird mehrfach die Liefergeschwindigkeit genannt. Die Kundenansprüche seien hier insbesondere durch die hohe Zuverlässigkeit und Geschwindigkeit der Lieferung des Marktführers Amazon gestiegen, der neuerdings für viele Artikel sogar eine Same-Day-Lieferung anbietet. Auch in anderen Bereichen wie zum Beispiel im Retourenmanagement und im After-Sales-Service steigen die Kundenerwartungen. Immer mehr Kunden gehen ferner von kostenfreiem Versand aus und stellen teilweise sogar gänzlich unrealistische Erwartungen an Produkt und Lieferung, weil sie die AGBs und Produktbeschreibungen nicht richtig lesen. Insbesondere junge Menschen stellen nach Meinung der Befragten immer höhere Ansprüche an Onlinehändler.

„Die nächste Generation will alles per Handy bestellen und die Ware schon am nächsten Tag haben”, beschreibt eine der Studienteilnehmerinnen.

Der Trend der steigenden Kundenerwartungen erfordert Investitionen in entsprechende Infrastrukturen und macht es somit für kleine Onlinehändler immer schwieriger, mit größeren und finanzstärkeren Konkurrenten mitzuhalten. So kann es schnell passieren, dass die Bewertungen im eigenen Shop deutlich schlechter ausfallen, als sie es im Vergleich auf Amazon wären. Es wird in vielen Fällen die Zustellung bewertet und die Erwartung an diese wird größtenteils von Amazon geprägt. Somit ist besonderes Augenmerk auf das Kundenmanagement und die Logistik im eigenen Shop zu richten, damit es nicht zu Kundenbeschwerden über lange Lieferzeiten kommt.

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Technischer Fortschritt

Viele Onlinehändler sehen im technischen Fortschritt eine zentrale Herausforderung für ihr Geschäft. Ein aktuelles Beispiel ist die wachsende Relevanz des Mobile-Commerce. Eine mobile Version des Onlineshops wird als essentiell angesehen, um im Onlinehandel wettbewerbsfähig zu bleiben. Trotz der erkannten Wichtigkeit der neuen Vertriebsform gelingt es nicht allen Onlinehändlern, sich die dafür erforderliche technische Ausstattung und entsprechende Fachkenntnis anzueignen. Mehrere der Befragten verfügen noch nicht über eine mobile Version ihres Onlineshops.

Auch in den Bereichen SEA, SEO und Webentwicklung sind ständig neue technische Skills erforderlich. Einige Befragte sehen in ihrem Mangel an Fachpersonal in diesen Bereichen einen entscheidenden Wettbewerbsnachteil gegenüber großen Playern wie Amazon. Vor einiger Zeit hat Google sein eigenes Ranking hinsichtlich mobil-fähige Inhalte angepasst. Vor allem Webseiten und Shops, die nicht für Mobilgeräte optimiert sind, werden von Google abgestraft. Das heißt jeder kleine Shop, der nicht dem Trend des Mobile-Commerce folgt wird schlechter bei Google gefunden, und hat es somit noch schwieriger Amazon die Stirn zu bieten.

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Hohe Dynamik der Branche

Mehrere befragte Unternehmensvertreter sehen eine wesentliche Herausforderung für Ihr Geschäft in der Geschwindigkeit, mit der sich ihr Umfeld und die Marktbedingungen in der Onlinehandelsbranche verändern. Kaum eine Offline-Branche ist so vielen Veränderungen unterworfen wie der E-Commerce.

„Die Herausforderung ist die, dass Sie sich jeden Tag neu erfinden müssen. Das Geschäft ist sehr schnelllebig. Es verändert sich jeden Tag”, meint einer der Studienteilnehmer.

Zu den Faktoren, die sich in der Onlinehandelsbranche besonders schnell verändern, gehören unter anderem technologische Aspekte, Kundenbedürfnisse, die Marktstruktur und Geschäftsbeziehungen mit Lieferanten. Viele der Befragten sehen den schnell wandelnden Marktbedingungen gespannt entgegen. Teilweise wird versucht Schritt zu halten. Allerdings hoffen viele der Unternehmen, dass die Auswirkungen nicht so dramatisch ausfallen. Ohne ein gesundes Maß an Optimismus wäre es einem Unternehmer auch nicht möglich heutzutage einen Online-Shop zu betreiben.

„Ohne erfahrenes Fachpersonal kann man mit der Dynamik nicht mehr Schritt halten”, äußert sich ein Unternehmen.


Quelle: „Sind kleine und mittelständische Onlinehändler bereit für die Zukunft? – Eine qualitative Studie nach dem Grounded-Theory-Ansatz zu den Herausforderungen und Zukunftsperspektiven einer Branche im Umbruch“, Masterarbeit an der Technischen Universtität Berlin, Jakob Kröger, 2017

Hinweis: Bei Interesse an der vollständigen Masterarbeit, schicken Sie gerne eine Anfrage an j.repschlaeger(at)tu-berlin.de.